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II. Die gemäß § 90a Abs. 2 Satz 2 FGO zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. |
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Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Antrag der Klägerin auf Erlass eines Umsatzsteueränderungsbescheids für das Streitjahr 2004 nach § 164 Abs. 2 AO dahingehend, dass neben den umsatzsteuerpflichtigen echten Factoring-Leistungen eigenständige nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreie Kreditgewährungen berücksichtigt werden, zu Recht abgelehnt wurde. Denn die Klägerin hat vorliegend den Ärzten keine Kredite gewährt. |
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1. Die Klägerin erbrachte mit dem Erwerb und der Einziehung von Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos umsatzsteuerbare Leistungen an die Ärzte. |
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a) Die Voraussetzungen für eine steuerbare Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) sind beim echten Factoring –wie hier– erfüllt, wenn im Zusammenhang mit der Abtretung von Forderungen der Factor den sog. Anschlusskunden (hier: den jeweiligen Arzt) von der Einziehung der Forderungen sowie von dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet und hierfür eine Vergütung erhält (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688, Rz 49; vom 27. Oktober 2011 C-93/10 –GFKL–, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2011, 933, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2011, 2093, Rz 20; unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung BFH-Urteil in BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667, unter II.2.b). |
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Dagegen erbringt ein Unternehmer, der auf eigenes Risiko sog. zahlungsgestörte Forderungen (s. dazu BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, IV Tz 12; Abschn. 18 Abs. 12 Satz 5 ff. UStR 2008; Abschn. 2.4. Abs. 7 und 8 UStAE) zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt (vgl. EuGH-Urteil in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093, Rz 26; BFH-Urteil vom 26. Januar 2012 V R 18/08, BFHE 236, 250, DStR 2012, 513). |
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b) Hiernach hat die Klägerin –wovon die Vorentscheidung zutreffend ausging und was zwischen den Beteiligten unstreitig ist– steuerbare Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegen Entgelt in Form eines echten Factorings an die Ärzte erbracht. |
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Die Klägerin hat von den Ärzten keine zahlungsgestörten Forderungen erworben. Denn vorliegend ging es nach den Feststellungen des FG „insbesondere um Honorarforderungen der Ärzte, die gegenüber in aller Regel solventen Versicherten bestanden und demzufolge ein Ausfallrisiko allenfalls als gering anzusehen war“ (Urteil, S. 11). In dem Fall, der den Urteilen des EuGH in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 und des BFH in BFHE 236, 250, DStR 2012, 513 zugrunde liegt, gingen die Parteien des Kaufvertrages dagegen davon aus, dass der voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen „aufgrund der erheblichen Zahlungsstörungen“ (nur) bei 57,8 % des Nennwerts lag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 236, 250, DStR 2012, 513, unter I.). |
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2. Die ausgeführten Umsätze sind nicht umsatzsteuerfrei. |
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a) Die Umsätze im Geschäft mit Forderungen sind zwar nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfrei. Hiervon ausgenommen ist jedoch –wie hier– die Einziehung von Forderungen (§ 4 Nr. 8 Buchst. c Halbsatz 2 UStG). |
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Dies entspricht unionsrechtlichen Vorgaben. Eine wirtschaftliche Tätigkeit, die darin besteht, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren berechnet, stellt eine Einziehung von Forderungen i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a.E. der Richtlinie 77/388/EWG dar und ist damit von der mit dieser Bestimmung eingeführten Steuerbefreiung ausgenommen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688, Rz 80). |
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b) Die Klägerin hat den Ärzten keine Kredite i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG gewährt. Eine eigenständige Vorfinanzierung der erworbenen Forderungen bis zu deren durchschnittlicher Rückzahlungsdauer von 45 Tagen liegt entgegen Ziffer 3 Satz 1 Buchst. b der Abrechnungsvereinbarung im Streitfall nicht vor. |
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aa) Umsatzsteuerfrei ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG die Gewährung von Krediten. Dies beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. |
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bb) Der BFH hat zum sog. unechten Factoring –bei dem der Factor das Risiko des Forderungsausfalls nicht übernimmt– entschieden, dass der Factor eine Mehrheit von steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen erbringe, sodass die insgesamt in Rechnung gestellten Factoring-Gebühren aufgeteilt werden müssten (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 75/76, BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200, unter II.3.). Der Unternehmer könne daher –beim unechten Factoring– für die in der Bevorschussung liegende Leistung des Forderungskäufers, für die vom Anschlusskunden gesondert Zinsen zu entrichten sind, nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG Steuerbefreiung in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200, unter II.3.). |
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cc) Das soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch für das echte Factoring –wie hier– gelten (vgl. hierzu Lickteig, UR 2004, 454; ferner Philipp/Keller, DStR 2003, 1286; Thielo, Betriebs-Berater –BB– 2007, 2487). Vorliegend hat die Klägerin aber neben der Übernahme der Forderungseinziehung und des (geringen) Ausfallrisikos keine Kredite an die Ärzte gewährt, für die sie die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG beanspruchen könnte. |
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aaa) Die Klägerin war nach Ziffer 3 Satz 2 der Abrechnungsvereinbarung zur sofortigen Gutschrift (Kaufpreiszahlung) verpflichtet. Es ist weder vom FG festgestellt noch vorgebracht, dass die Klägerin hiervon abweichend berechtigt gewesen wäre, den Kaufpreis für die abgetretenen Forderungen erst nach Abschluss ihrer Einziehungstätigkeit zu entrichten, und den zuvor erfolgten Zahlungen mithin bloßer Darlehenscharakter zukommen sollte (vgl. insoweit auch BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2009 V R 18/08, BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654, unter II.4.c). |
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bbb) Selbst wenn insoweit von einer Kreditgewährung auszugehen wäre, wäre diese nicht als eigene, getrennt zu besteuernde Leistung zu behandeln. Ihr käme umsatzsteuerrechtlich kein eigenständiges Gewicht zu. |
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(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, ist bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, für die Frage, ob mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, eine Gesamtbetrachtung erforderlich. In der Regel ist zwar jede Leistung als eigene selbständige Leistung anzusehen. Eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems auch nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen bzw. sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige gegenüber dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712; vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109; vom 2. März 2011 XI R 25/09, BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, jeweils m.w.N.). |
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(2) Die letztgenannten Voraussetzungen einer untrennbaren wirtschaftlichen Leistung wären -läge neben einer Factoring-Leistung auch eine Kreditgewährung vor- im Streitfall bei der gebotenen Gesamtbetrachtung erfüllt. Zu Recht hat das FG entschieden, dass ein Liquiditätsvorteil, der den Ärzten dadurch entsteht, dass sie den geminderten Kaufpreis der Forderung bereits vor Einziehung der Forderung erhalten, einem Forderungsgeschäft der hier vorliegenden Art –Forderungskauf zur Einziehung mit Übernahme des Ausfallrisikos– stets immanent ist. Es mag sein, dass –wie die Klägerin vorbringt– erst der kurzfristig erreichbare Liquiditätsvorteil es für die Ärzte vor dem Hintergrund des geringen Ausfallrisikos attraktiv mache, die Forderungen zum Einzug zu übertragen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass im Streitfall die echte Factoring-Leistung der wesentliche Bestandteil der erbrachten einheitlichen Leistung darstellt. Eine daneben in der Verschaffung von Liquiditätsvorteilen liegende Kreditgewährung würde –so auch die Vorentscheidung– in der prägenden Factoring-Leistung aufgehen. |
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(3) Wie das FG insoweit –revisionsrechtlich nicht zu beanstanden– ausgeführt hat, spricht auch der Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung für ein einheitliches Geschäft. So ergibt sich aus Ziffer 1 der Abrechnungsvereinbarung ein einheitlicher „Vertragsgegenstand“ in Gestalt des „Verkaufs von Forderungen“. Eine separate Kreditgewährung ist dort nicht vereinbart. Lediglich aus Ziffer 3 „Kaufpreis und Zahlung“ ergibt sich unter Buchst. b der Hinweis auf einen pauschalen Vorfinanzierungszins bei einer durchschnittlichen Rückzahlungsdauer der Patientenforderungen von 45 Tagen und einem Jahreszinssatz von 8 %. |
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In dieser bloßen Entgeltberechnung sieht das FG zu Recht keine gesonderte Vereinbarung einer neben dem Factoring selbständigen Kreditgewährung. Insofern sind die Voraussetzungen des Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 UStR 2008 (nunmehr Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE), der eine gesonderte Vereinbarung der Hauptleistung einerseits und der Kreditgewährung andererseits fordert, nicht gegeben. |
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ccc) Hiernach kann im Streitfall offenbleiben, ob ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH, nach der ein verzinslicher Zahlungsaufschub bis zur Lieferung eines Gegenstandes keine steuerfreie Kreditgewährung, sondern Teil des steuerpflichtigen Entgelts für die Lieferung ist (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Oktober 1993 C-281/91 –Muys’en De Winter’s Bouw en Aannemingsbedrijf–, Slg. 1993, I-5405, Rz 18), auch bei einem echten Factoring für den Fall, dass der Forderungserwerber den Kaufpreis erst nach Abschluss der Einziehung schuldet, ein unbeachtlicher Zahlungsaufschub für den Zeitraum bis zur Leistungserbringung vorliegt (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654, unter II.4.c; zustimmend Kaufhold, BB 2010, 2207; ferner Philipowski in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 8 Rz 35; a.A. Raab/Wildner/Krause, Der Betrieb 2010, 750; Hahne, BB 2010, 679). |
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3. Die Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. |
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a) Ihrem Revisionsvorbringen liegt zugrunde, sie, die Klägerin, habe neben den erbrachten Factoring-Leistungen als weitere, eigenständige Leistungsbestandteile Kredite gewährt. Dies trifft –wie vorstehend unter II.2.b ausgeführt– nicht zu. |
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b) Soweit die Klägerin auf § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG abstellt, betrifft die dort geregelte gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung schon einen anderen als den hier vorliegenden Fall. Jedenfalls kann dieser Vorschrift nicht entnommen werden, dass für Zwecke der Umsatzsteuer bei einem Forderungsverkauf von einer umsatzsteuerfreien Kreditleistung in Höhe von 25 % des Forderungsbetrags auszugehen sei. |
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c) Selbst wenn die Klägerin die Voraussetzungen nach Abschn. 18 Abs. 11 Sätze 5 und 6 i.V.m. Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 UStR 2008 –nunmehr Abschn. 2.4. Abs. 4 Sätze 5 und 6 i.V.m. Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE– erfüllt hätte, unter denen die Finanzverwaltung eine mit einer Factoring-Leistung einhergehenden selbständigen Kreditgewährung des Factors annimmt, wäre das für die Finanzgerichte im Festsetzungsverfahren nicht bindend (vgl. z.B. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, unter II.3.e bb). |
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